23.04.2009
Erhalt des Trampedachlagers
Antrag RV-47/2009 der Ratsfraktionen CDU, Grüne, SPD, SSW und WIF an den Ausschuss für Stadtentwicklung, Umwelt und Planen am 28.04.2009
Antrag:
Die Bundesrepublik Deutschland, das Land Schleswig-Holstein, die Marine und die Marineschule Mürwik werden gebeten, in Zusammenarbeit mit den Denkmalschutzbehörden und der Stadt Flensburg eine Lösung zu finden, die eine Erhaltung des gesamten Trampedachlagers möglichst auf dem Gelände der Marineschule Mürwik ermöglicht. Dieses für die Geschichte Flensburgs und des 20. Jahrhunderts wichtige Kulturdenkmal muss erhalten bleiben und sollte für die Öffentlichkeit didaktisch aufbereitet und museal genutzt werden.
Begründung:
Der SUPA der Stadt Flensburg möchte im Dialog mit allen Beteiligten das Trampedachlager als einzigartiges Zeugnis der jüngeren deutschen Geschichte, insbesondere der Aufrüstung im „Dritten Reich“ sowie der Integration der Flüchtlinge nach dem Zweiten Weltkrieg erhalten.
1. Geschichtliche Bedeutung
Im Zuge der Aufrüstung Deutschlands im Dritten Reich wurden ab 1936 drei Lager mit Holzbaracken in unmittelbarer Nähe der Marineschule, die 1935 in Marinekriegsschule umbenannt wurde, als Provisorien errichtet. Nördlich vom Hauptbau der Marineschule entstand 1936 das Danziglager, das 1944 zum Gedenken an den gefallenen Fregattenkapitän Claus Trampedach die Bezeichnung Trampedachlager erhielt. Das Lager hatte wie die benachbarten Heinz-Krey-Lager und Mützelburglager im Zuge der Kriegsvorbereitungen die Aufgabe, zusätzliche Offiziersanwärter unterzubringen.
Im Frühjahr 1945 wurde Schleswig-Holstein zum Zufluchtsort von über einer Million Deutschen, die vor der Roten Armee nach Westen flohen. In dieser Zeit zogen auch Flüchtlinge in die Baracken des Trampedachlagers. Nach Gründung der Bundesrepublik dienten die Baracken als Wohnungen für Bundesbedienstete, bevor sie nach 1955 wieder militärisch genutzt wurden.
Die Unterbringung der Flüchtlinge und Heimatvertriebenen stellte neben ihrer Versorgung eine der schwierigsten Probleme der Nachkriegszeit dar. Ein erheblicher Teil der Flüchtlinge kam in den über 700 in Schleswig-Holstein vorhandenen Barackenlagern unter. Das Leben im Lager und in der Baracke wurde für einen großen Teil der Flüchtlinge, die häufig neben ihrem gesamtem Hab und Gut auch ihre Angehörigen verloren hatten, zur prägenden Lebenswirklichkeit auf Jahre hinaus, teilweise auf Jahrzehnte. In Flensburg wurde erst 1966, über 20 Jahre nach Kriegsende, die letzte Baracke geräumt.
Mit den Barackenlagern verbindet sich daher nicht nur die Geschichte einer besonderen militärischen Baugattung, sondern auch die Erinnerung an Flucht und Vertreibung. Wenn wir heute sagen können, dass die Eingliederung von über einer Million Flüchtlingen zu gleichberechtigten Bürgerinnen und Bürgern in einem demokratischen Land gelungen ist, so sind die Barackenlager auch Erinnerung an diesen erfolgreichen Integrationsprozess.
Während es im Lande noch einzelne, meistens stark veränderte massive Baracken gibt, ist das Trampedachlager als einziges vollständiges Lager mit sieben Holzbaracken erhalten und befindet sich dank kontinuierlicher Pflege in einem guten Zustand. Einzigartig ist, dass das gesamte Lager ohne sichtbare Veränderung die Zeit überdauert hat und in beeindruckender Weise an die geschichtlichen Abläufe im 20. Jahrhundert erinnert.
2. Aktuelle Situation
Um den Erhalt des Trampedachlagers gibt es einen Rechtsstreit zwischen der Eigentümerin, der Bundesrepublik Deutschland, und der Stadt Flensburg. Die Stadt Flensburg hat den Abbruchantrag für sechs von sieben Baracken unter Hinweis auf den bestehenden Denkmalschutz abgelehnt, den die Wehrbereichsverwaltung gestellt hatte. Gespräche, die es außergerichtlich im Herbst 2008 in der Staatskanzlei gegeben hat, lassen befürchten, dass es allenfalls gelingt, zwei der sieben Baracken zu erhalten. Der Ensemblecharakter, der die Einzigartigkeit der Anlage gerade bestimmt, würde dadurch verloren gehen.
Die Bundesrepublik Deutschland hat in den letzten Jahren enormen Leistungen zur denkmalpflegerisch in jeder Hinsicht vorbildlichen Erhaltung des bedeutenden Kulturdenkmals Marineschule Mürwik erbracht. Bauhistorisch und optisch grenzt sich das Trampedachlager deutlich von den Bauten der Marineschule ab, und es erscheint verständlich, dass das Lager bei einer Betrachtung des Gesamtensembles der Marineschule Mürwik als Fremdkörper empfunden wird. Jedoch ist das Trampedachlager weder beim landseitigen Zugang zur Marineschule Mürwik noch von See oder beim seeseitigen Zugang zu erkennen, weil es entweder von den dominierenden Schulbauten, durch die Topographie oder die Bewaldung verdeckt wird. So bleibt das Trampedachlager als in sich geschlossenes Ensemble erlebbar, ohne das historische Bild der Marineschule Mürwik zu beeinträchtigen.
Unter Würdigung der historischen und hohen aktuellen Bedeutung der Marineschule einerseits und der Bedeutung des Trampedachlager andererseits erscheint es nahezu undenkbar, dass es nicht gelingen sollte, im Dialog mit allen Beteiligten einen Weg zu finden, das Trampedachlager mit seinen vielschichtigen historischen Informationen zu erhalten. Die Geschichte der Aufrüstung im Dritten Reich sowie von Flucht und Vertreibung ist ganz unmittelbar Teil der Flensburger Geschichte, der des Landes Schleswig-Holstein und der Bundesrepublik Deutschland. 40% der Nachkriegsbevölkerung in Schleswig-Holstein waren Flüchtlinge und Vertriebene.
Die bisher angedachte Lösung, lediglich zwei Baracken exemplarisch zu erhalten, wird der Bedeutung des Denkmals nicht gerecht. Wir haben die einzigartige Chance, der Nachwelt ein komplettes Lager zu überliefern. Die Begegnung mit originalen Geschichtszeugnissen wird umso wichtiger, je weniger lebende Zeitzeugen der heutigen und den nachfolgenden Generationen Auskunft geben können. Im gesamten Land gibt es bislang keine museale Aufbereitung der geschichtlichen Vorgänge, die sich an dem Barackenlager abbilden, insbesondere NS-Diktatur, Aufrüstung sowie Flucht und Vertreibung. Wenn das Trampedachlager verschwindet, verlieren wir die Chance, diese Geschichte an einem originalen Zeugnis der Nachwelt zu vermitteln. Dieses Anliegen wird im Übrigen auch von mehreren Historikern Dr. Uwe Carstens (Kiel), Prof. Dr. Klaus-Ove Kahrmann (Bielefeld), Prof. Dr. Gerhard Paul und Prof. Dr. Michael Ruck (beide Flensburg) nachdrücklich unterstützt.
Der Antrag wurde mit 11 Ja-Stimmen bei 1 Nein-Stimme angenommen.