Liebe Grüne,
am Sonntag, den 13. Dezember, hat die Ministerpräsident*innenkonferenz (MPK) getagt und als Reaktion auf die gegenwärtige Infektionslage in Deutschland ein Maßnahmenpaket beschlossen, welches umfassende Einschränkungen des öffentlichen Lebens vorsieht. Damit wird Deutschland ab Mittwoch, den 16. Dezember, bis zum 10. Januar 2021 in einen harten Lockdown gehen.
Die genauen Regelungen für Schleswig-Holstein findet ihr nach Erlass der Verordnung ab morgen hier: https://schleswig-holstein.de/DE/Schwerpunkte/Coronavirus/coronavirus_node.html
Für diese weitreichenden Entscheidungen sind wir als Teil der schleswig-holsteinischen Landesregierung mitverantwortlich. Wir Grüne wissen um die Tragweite der Beschlüsse der MPK und dass die Entscheidung, weite Teile des öffentlichen Lebens zurückzufahren, mit erheblichen Härten für viele Menschen in Deutschland verbunden sind. Aus diesem Grund wenden wir uns mit dieser Email an euch, unsere Grünen Mitglieder in Schleswig-Holstein, und erläutern die Beweggründe für unser politisches Handeln.
In den letzten Wochen konnten wir in Schleswig-Holstein ein beständiges Infektionsgeschehens auf verhältnismäßig niedrigen Niveau beobachten. Mit Sieben-Tage-Inzidenzen von unter 50 im landesweiten Durchschnitt wies unser Bundesland eine der niedrigsten Infektionsraten deutschlandweit auf. Zu Beginn der vergangenen Woche setzte jedoch auch hier bei uns im hohen Norden ein ansteigender Trend ein. Letzten Montag stieg die Sieben-Tage-Inzidenz in Schleswig-Holstein seit Langem das erste Mal wieder über den kritischen Wert von 50 Infektionen pro 100.000 Einwohner*innen innerhalb einer Woche. Spätestens ab letzten Mittwoch dürfte allen politisch Handelnden klargeworden sein, dass die Ansteckungszahlen in Schleswig-Holstein den gleichen negativen Trend aufweisen, der deutschlandweit zu beobachten ist. Stand heute liegt die Inzidenz bei 79 in Schleswig-Holstein. Neben allgemein viel zu hohen Fallzahlen zeichnet sich dieser Negativ-Trend vor allem durch einen dramatischen Anstieg an Todesfällen und Patient*innen auf den Intensivstationen in Deutschlands Krankenhäusern aus.
Vor dem Hintergrund dieser Entwicklungen war für uns klar: „Wir müssen jetzt handeln!“ Daher haben wir Grüne uns Anfang letzter Woche für einen harten und möglichst bundesweiten Lockdown ausgesprochen. Diese Forderung teilte die gesamte schleswig-holsteinische Landesregierung und hat dies heute auf der MPK vertreten. Unsere Einschätzung, unverzüglich und entschlossen zu handeln, wurde auch durch das Gutachten der Nationalen Wissenschaftsakademie Leopoldina verstärkt, welche angesichts der dramatischen Entwicklung der Infektionszahlen deutlich schärfere Maßnahmen im Kampf gegen das Corona-Virus forderte.
Wir Grüne haben uns diese Entscheidung nicht leicht gemacht. Der Gedanke, dass viele Menschen in dieser tristen und kalten Zeit Jahreszeit nur noch wenig soziale Kontakte haben werden, macht traurig. Die Vorstellung, dass eine Kontaktbeschränkung von maximal fünf Personen aus zwei Haushalten viele Familien und Freundeskreise trennt, ist bedrückend. Und das Wissen, dass viele Menschen nun noch mehr als ohnehin schon um ihren Arbeitsplatz oder ihre aufgebaute wirtschaftliche Existenz fürchten, ist ein zutiefst beunruhigendes Gefühl.
Die letzten Wochen haben jedoch gezeigt, dass der „Lockdown light“ mit steigenden Fall- und viel zu hohen Todeszahlen nicht funktionierte und nicht mehr zu verantworten war. Nur wenn es jetzt gelingt, das Infektionsgeschehen entscheidend zu senken, haben wir eine Chance, die Pandemie wieder in den Griff zu bekommen. Trotz dieser einschneidenden Maßnahmen war es uns wichtig, dass die Betreuung von Kindern trotz Schul- und Kitaschließungen weiter gewährleistet bleibt.
Wir sind der festen Überzeugung, dass ein konsequenter Lockdown nicht nur aus medizinischer Sicht die richtige Entscheidung ist, sondern auch ökonomisch Sinn ergibt. So hat sich der Präsident für des Kieler Instituts für die Weltwirtschaft, Gabriel Felbermayr, ebenfalls für einen harten Lockdown ausgesprochen. Laut Felbermayr ermöglicht ein harter Lockdown mit klarer Ausstiegsperspektive der Wirtschaft mehr Planungssicherheit, als ein vor sich herschleichender „Lockdown light“, dessen Ende nicht abzusehen ist.
Während der gesamten Zeit der Pandemie und auch bei der Entscheidung für den Lockdown waren und sind humanistische Erwägungen für uns leitend: Unser Miteinander als Gesellschaft soll geprägt sein von Solidarität und Verantwortung füreinander. Heute wurde politisch in diesem Sinne entschieden. Klare Regeln und der massive Einschnitt in das öffentliche Leben werden viele Menschen vor einer Infektion, vor Krankheit und möglicherweise dem Verlust ihres Lebens schützen. Wir haben jetzt Klarheit und Planbarkeit für die nächsten Wochen und für den Erfolg wird entscheidend sein, dass wir uns alle weiterhin verantwortlich verhalten, uns selbst zurücknehmen, die eigenen Freiheiten einschränken, um diese Pandemiezeit miteinander zu schaffen.
In der Hoffnung, dass wir in Eurem Sinne gehandelt haben und mit besten Grüßen
Anna und Steffen (für den Landesvorstand)
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Steffen Regis
Landesvorsitzender BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Schleswig-Holstein
Alter Markt 9, 24103 Kiel